"Heraklion" (Aus meinem Urlaubstagebuch)
Am Sonntag, 27. Aug 2006 im Topic 'Urlaubstagebuch'
Bei Stadtbummeln im Urlaub in fremden, heißen Städten fangen wir alle irgendwann an zu spinnen.
Das liegt einfach daran das unser Gehirn verdampft. Eine einfache medizinische Erklärung.
Bei Paaren beginnt das damit das immer weniger geredet wird. Man grunzt einfach und das heißt dann: Schatz, lass uns hier in diese von Menschenmassen verstopfte Gasse links einbiegen und ich liebe dich und es war eine tolle Idee hierher zu fahren!
Frauen grunzen meist nicht etwas ähnlich liebevolles zurück. Meist sind sie schon längst in diese verdammte Gasse eingebogen und wenn Du dich nicht beeilst findest du sie nie wieder und dein trauriges grunzen versteht auf einer griechischen Polizeiwache kein Mensch.
Die nächste Stufe des Hitzeschadens ist das du anfängst zu singen.
Erst halblaut, eingebaut zwischen zwei schweren Atemzügen die dir der Riemen deiner Kamera um den Hals noch schenkt, irgendein da di – da da. Da di – da da.
Dann variieren die Tonfolgen und der Refrain irgendeines Schlagers wird erkennbar. Dabei ist die Jahreszeit in der dieser Schlager handelt völlig egal. Ich weiß von einem Familienvater der auf einer fünfstündigen Wanderung durch die Schlucht von Samaria das Lied „O Tannenbaum“ so oft vor sich hingesungen hat, das er dieses auch zu Weihnachten nicht mehr ertragen kann. Aber bei diesem Tagesausflug in der sengenden kretischen Sonne hat ihm das Lied vielleicht das Leben gerettet.
Der Höhepunkt des Hitzegesangs ist allerdings der Wechselgesang.
„Du bist mein Engelbert…“, sang Julia und trottete vor mir her. „Du bist mein Engelbert…“
„Humperdink!“ , setzte ich fort. „HUMPERDINCK!“
„Du bist mein Engelbert…“,„Du bist mein Engelbert…“
„HUMPERDINCK! HUMPERDINCK!!!!“
Es war eine lange Straße mit sehr uninteressanten Läden. Aber unser Lied ließ sich in seiner Länge ebenfalls endlos ausdehnen und die Informationen die es enthielt waren ausreichend.
„Engelbert!“
„Humperdinck!“
Zum Glück kam ein Cafe im Schatten, mit einem Brunnen davor.
„Warum bin ich Dein Engelbert?“
„Weil Frauen sowieso alle Engel sind, darum gibt es nur einen männlichen Engel und das ist Engel Bert und das bist Du.“
„Engel haben aber gar keine Geschlechtsteile. Sie sind geschlechtslos.“
Die Hitze hatte mich aggressiv gemacht. Ich hatte Lust zum streiten.
„Jetzt hackst Du sogar auf Engeln rum. Da will man was nettes sagen…“
I
Ich filmte den Brunnen. Unsere Gehirne waren fast vollständig weggebrutzelt und Julia durchblätterte schimpfend den Reiseführer.
Im Falk- Reiseführer ist der erste Satz: „Heraklion ist nicht schön aber interessant“
Spricht es für einen Reiseführer wenn er so schonungslos ehrlich ist? Sicherlich.
Aber der Falk lag trotzdem falsch: Heraklion ist nicht nur nicht schön, es ist auch nicht interessant.
Natürlich gibt es einen Hafen mit einer Festung die man für Fünf Euro besuchen kann. Vor die Kaimauern brandet natürlich die Brandung und zerfrisst einen alten Anker der dort liegt. Das sieht sehr malerisch aus, das ist es dann aber auch schon.
Ein Paar betrachtete interessiert zwei Körbe mit Schwämmen und ein alter griechischer Fischer betrachtete die beiden seinerseits, aber uninteressiert.
Wir machten uns auf, den Zigeunermarkt von Heraklion zu suchen. Im Falk steht den gibt’s jeden Samstag. Nur nicht wo. Das volkskundliche Klischee besagt ja das Zigeuner vielmehr dazu neigen zu stehlen, als Dinge anzubieten. Aber vielleicht stehlen sie erst und verkaufen die Sachen dann? Wir fanden das nicht schön aber interessant. Vielleicht meinte der Falk genau das.
In der Souvenirmeile blieben wir stecken. Zwischen Gemüse, Gürteln, Tüchern, Schals, Ikonen, Fleisch, Käse, elektrischen Kleingeräten und Sonnenbrillen.
„Vielleicht ist das der Zigeunermarkt?“ Ich hatte keine Lust mehr zu suchen.
„Bestimmt“, sagte Julia. „Ich habe keine Lust mehr zu suchen.“
Julia hat die Fähigkeit aus jeder Situation nicht nur das beste zu machen, sie kann alles so drehen als wäre es die einzige und beste Situation in die wir hätten geraten können. Wäre sie damals als Erste zufällig auf den traurigen Saddam Hussein in seiner Erdhöhle gestoßen, hätte sie ihm auf die Schulter geklopft und gesagt: „Mensch, das ist doch für einen Single genau die richtige Größe!“
Oder etwas in der Art.
Julia beschloss also das die 200 Meter lange Touristengasse ganz eindeutig der Zigeunermarkt sei. Die Händler wären von ihrer Einschätzung nicht begeistert gewesen, aber egal. Wir liefen die bunte Gasse noch einmal in entgegengesetzter Richtung ab, so das sie viel länger wirkte.
Nicht schön, aber interessant.
Wir kauften Raki für Freunde und Eltern und schworen einander stark zu sein und den Schnaps bis zum Ende des Urlaubs nicht anzurühren. Im Hotel ließen wir die Flaschen tatsächlich eingepackt auf der Kommode stehen. So sahen sie nicht schön aus, aber interessant.
Das liegt einfach daran das unser Gehirn verdampft. Eine einfache medizinische Erklärung.
Bei Paaren beginnt das damit das immer weniger geredet wird. Man grunzt einfach und das heißt dann: Schatz, lass uns hier in diese von Menschenmassen verstopfte Gasse links einbiegen und ich liebe dich und es war eine tolle Idee hierher zu fahren!
Frauen grunzen meist nicht etwas ähnlich liebevolles zurück. Meist sind sie schon längst in diese verdammte Gasse eingebogen und wenn Du dich nicht beeilst findest du sie nie wieder und dein trauriges grunzen versteht auf einer griechischen Polizeiwache kein Mensch.
Die nächste Stufe des Hitzeschadens ist das du anfängst zu singen.
Erst halblaut, eingebaut zwischen zwei schweren Atemzügen die dir der Riemen deiner Kamera um den Hals noch schenkt, irgendein da di – da da. Da di – da da.
Dann variieren die Tonfolgen und der Refrain irgendeines Schlagers wird erkennbar. Dabei ist die Jahreszeit in der dieser Schlager handelt völlig egal. Ich weiß von einem Familienvater der auf einer fünfstündigen Wanderung durch die Schlucht von Samaria das Lied „O Tannenbaum“ so oft vor sich hingesungen hat, das er dieses auch zu Weihnachten nicht mehr ertragen kann. Aber bei diesem Tagesausflug in der sengenden kretischen Sonne hat ihm das Lied vielleicht das Leben gerettet.
Der Höhepunkt des Hitzegesangs ist allerdings der Wechselgesang.
„Du bist mein Engelbert…“, sang Julia und trottete vor mir her. „Du bist mein Engelbert…“
„Humperdink!“ , setzte ich fort. „HUMPERDINCK!“
„Du bist mein Engelbert…“,„Du bist mein Engelbert…“
„HUMPERDINCK! HUMPERDINCK!!!!“
Es war eine lange Straße mit sehr uninteressanten Läden. Aber unser Lied ließ sich in seiner Länge ebenfalls endlos ausdehnen und die Informationen die es enthielt waren ausreichend.
„Engelbert!“
„Humperdinck!“
Zum Glück kam ein Cafe im Schatten, mit einem Brunnen davor.
„Warum bin ich Dein Engelbert?“
„Weil Frauen sowieso alle Engel sind, darum gibt es nur einen männlichen Engel und das ist Engel Bert und das bist Du.“
„Engel haben aber gar keine Geschlechtsteile. Sie sind geschlechtslos.“
Die Hitze hatte mich aggressiv gemacht. Ich hatte Lust zum streiten.
„Jetzt hackst Du sogar auf Engeln rum. Da will man was nettes sagen…“
I
Ich filmte den Brunnen. Unsere Gehirne waren fast vollständig weggebrutzelt und Julia durchblätterte schimpfend den Reiseführer.
Im Falk- Reiseführer ist der erste Satz: „Heraklion ist nicht schön aber interessant“
Spricht es für einen Reiseführer wenn er so schonungslos ehrlich ist? Sicherlich.
Aber der Falk lag trotzdem falsch: Heraklion ist nicht nur nicht schön, es ist auch nicht interessant.
Natürlich gibt es einen Hafen mit einer Festung die man für Fünf Euro besuchen kann. Vor die Kaimauern brandet natürlich die Brandung und zerfrisst einen alten Anker der dort liegt. Das sieht sehr malerisch aus, das ist es dann aber auch schon.
Ein Paar betrachtete interessiert zwei Körbe mit Schwämmen und ein alter griechischer Fischer betrachtete die beiden seinerseits, aber uninteressiert.
Wir machten uns auf, den Zigeunermarkt von Heraklion zu suchen. Im Falk steht den gibt’s jeden Samstag. Nur nicht wo. Das volkskundliche Klischee besagt ja das Zigeuner vielmehr dazu neigen zu stehlen, als Dinge anzubieten. Aber vielleicht stehlen sie erst und verkaufen die Sachen dann? Wir fanden das nicht schön aber interessant. Vielleicht meinte der Falk genau das.
In der Souvenirmeile blieben wir stecken. Zwischen Gemüse, Gürteln, Tüchern, Schals, Ikonen, Fleisch, Käse, elektrischen Kleingeräten und Sonnenbrillen.
„Vielleicht ist das der Zigeunermarkt?“ Ich hatte keine Lust mehr zu suchen.
„Bestimmt“, sagte Julia. „Ich habe keine Lust mehr zu suchen.“
Julia hat die Fähigkeit aus jeder Situation nicht nur das beste zu machen, sie kann alles so drehen als wäre es die einzige und beste Situation in die wir hätten geraten können. Wäre sie damals als Erste zufällig auf den traurigen Saddam Hussein in seiner Erdhöhle gestoßen, hätte sie ihm auf die Schulter geklopft und gesagt: „Mensch, das ist doch für einen Single genau die richtige Größe!“
Oder etwas in der Art.
Julia beschloss also das die 200 Meter lange Touristengasse ganz eindeutig der Zigeunermarkt sei. Die Händler wären von ihrer Einschätzung nicht begeistert gewesen, aber egal. Wir liefen die bunte Gasse noch einmal in entgegengesetzter Richtung ab, so das sie viel länger wirkte.
Nicht schön, aber interessant.
Wir kauften Raki für Freunde und Eltern und schworen einander stark zu sein und den Schnaps bis zum Ende des Urlaubs nicht anzurühren. Im Hotel ließen wir die Flaschen tatsächlich eingepackt auf der Kommode stehen. So sahen sie nicht schön aus, aber interessant.