Der Drachen am Hermsdorfer Kreuz
Am Montag, 2. Okt 2006 im Topic 'Urlaubstagebuch'
Ich war unterwegs nach Berlin. Einen Freund besuchen. Einen der wenigen die ich habe. Darum fuhr ich besonders vorsichtig.
Kurz vor Hermsdorf hörte ich zum ersten Mal dieses Klappern. Schlecht zu lokalisieren. Vielleicht vom Motor. Vielleicht auch nicht. Ich fuhr auf den Rastplatz und da stand ER.
Ein Drachen.
Er lehnte an einem russischen Laster und versuchte lässig auszusehen.
Ich bin einer von denen die betont weggucken wenn sie Prominenten begegnen oder Behinderten. Um zu zeigen, wie normal man mit so was umgehen kann.
Bei dem Drachen verhielt ich mich genau so und beobachtete ihn nur aus dem Augenwinkel als ich rückwärts in die Parklücke hineinstieß. Ich öffnete die Motorhaube und schaute angestrengt in den warmen Metallhaufen.
„Hallo,“ sagte der Drache. „Klingt jetzt vielleicht doof, aber hast Du mal Feuer?“
Wir grinsten beide und ich gab ihm Feuer. Er rauchte Luckys. Wie ich. Aber die leichten.
„Im Arsch?“ fragte der Drachen.
„Nö,“ sagte ich. „Hoff ich zumindest nicht. Klappert nur was. Mal sehn.“
„Na da,“ sagte der Drachen.
Wir standen schweigend und rauchten, als sich der osteuropäische Lastwagenfahrer mit einem eingeschweißten Schinkenbaguette die Trittleiter seines Brummis hinaufschwang und den Motor anließ.
„Will nicht wissen was die Jungs auf dem Fahrtenschreiber haben,“ sagte der Drachen und blies eine Wolke aus seinen Nüstern. „Der kommt aus Minsk. Das sind über 3000 Kilometer. Luftlinie.“
Ich nickte und der LKW schob sich brüllend Richtung Ausfahrt. Die Schuppen des Drachen glänzten im Regen. Ich fröstelte. Meine Motorhaube stand noch immer offen und dampfte ein wenig.
„Soll ich mal?“ fragte der Drachen und wir schaute beide in den Motorraum. „Klappert’s jetzt mehr metallisch wie Motor oder mehr dumpf wie Innenraum?“
„Weiß nicht. Irgendwie dazwischen.“
Der Drachen drückte am Vergaser herum und bewegte ein paar Schläuche. „Tja,“ sagte er. „Man steckt nicht drin.“
„Die bauen die Dinger heute so das sie nach einer bestimmten Zeit automatisch kaputt gehen“, sagte ich.
„Hab ich auch gehört,“ sagte der Drachen. „Schweinebacken.“
Wir schwiegen wieder, rauchten, und schauten. „Also ich seh nix,“ sagte der Drachen. „Ist bestimmt was von Innen. Aus der Verkleidung oder so.“
Ich machte die Motorhaube zu und der Drachen wanderte ein Mal um meinen Wagen und trat gegen die Reifen. „Ganz schön runter!“ rief er vom Heck.
„Ich weiß!“ rief ich zurück.
„Keine Kohle, was?“ rief der Drachen und schnippte seine Zigarette fort.
„Hä Hä!“ rief ich, und wir grinsten wieder.
„Ich mach jetzt los,“ sagte der Drachen.
Ich nickte.
„Meine Kippen sind alle. Hast du noch eine für mich?“
„Klar. Sind aber die Starken“
„Scheiß drauf. Die Leichten machen auch nur Krebs. Weil man tiefer inhaliert.“
Wir standen wieder schweigend, es begann stärker zu regnen und langsam wurde es unangenehm.
„Yepp,“ sagte der Drachen. „Dann will ich mal.“
„Hau rein,“ sagte ich.
„Wo?“
Wir grinsten wieder. Der Drachen breitete seine Flügel aus und schob die Zigarette in einen blauen Hüftgürtel. „Also dann,“ sagte er. „Bis die Tage. Ach so, und bleib dran. Die Kleine ist der Hammer.“
„Was?“ fragte ich.
„Die Grosse meinetwegen. Sorry.“
Ich muss erstaunt ausgesehen haben.
„Hallo!“ sagte der Drachen. „Ich kann Gedanken lesen. Drache und so. Alles klar?“
„Ach so,“ sagte ich. „Alles klar.“
„Hoff ich für dich. Na dann!“ Der Drachen spuckte aus, hob sich in die Luft, ächzte, und schlingerte über den Parkplatz bis er den richtigen Luftstrom erwischt hatte. Mit einer Drehung schraubte er sich in die Regenwolken und war am Hermsdorfer Kreuz bevor ich mein Fotohandy startklar hatte.
„Scheiße,“ dachte ich. „Jetzt hat er eine Kippe, aber wieder kein Feuer. Der wird sich in den Arsch beißen.“ Als ich mich auf den Fahrersitz schob spürte ich etwas hartes und griff unter mich. Ein kleiner Gegenstand. In Papier eingewickelt.
Der Drache musste das Ding auf seiner Runde um mein Auto irgendwie durch den Spalt im Fenster gestopft haben.
Ich packte einen milchigweißen Stein aus. Er war kühl und lag in der Hand wie ein Vogelei. Ein fast durchsichtiges Vogelei.
Auf dem Papier stand in krakeliger Kinderschrift:
„Danke noch mal für die Kippe. Gib der Großen den Stein. Er ist vom Mond. Sie übrigens auch. Mach dir keine Sorgen mehr über Hodenkrebs und Deutschland wird nicht Fussballweltmeister. Tschüss mit Üss!“
Ich grinste. Weil ich wusste das der Drachen in diesem Moment auch grinste.
Und weil ich jetzt weiß das alle Menschen die keine Ahnung von Autos haben zumindest in dieser Sache ein bisschen wie Drachen sind.
Kurz vor Hermsdorf hörte ich zum ersten Mal dieses Klappern. Schlecht zu lokalisieren. Vielleicht vom Motor. Vielleicht auch nicht. Ich fuhr auf den Rastplatz und da stand ER.
Ein Drachen.
Er lehnte an einem russischen Laster und versuchte lässig auszusehen.
Ich bin einer von denen die betont weggucken wenn sie Prominenten begegnen oder Behinderten. Um zu zeigen, wie normal man mit so was umgehen kann.
Bei dem Drachen verhielt ich mich genau so und beobachtete ihn nur aus dem Augenwinkel als ich rückwärts in die Parklücke hineinstieß. Ich öffnete die Motorhaube und schaute angestrengt in den warmen Metallhaufen.
„Hallo,“ sagte der Drache. „Klingt jetzt vielleicht doof, aber hast Du mal Feuer?“
Wir grinsten beide und ich gab ihm Feuer. Er rauchte Luckys. Wie ich. Aber die leichten.
„Im Arsch?“ fragte der Drachen.
„Nö,“ sagte ich. „Hoff ich zumindest nicht. Klappert nur was. Mal sehn.“
„Na da,“ sagte der Drachen.
Wir standen schweigend und rauchten, als sich der osteuropäische Lastwagenfahrer mit einem eingeschweißten Schinkenbaguette die Trittleiter seines Brummis hinaufschwang und den Motor anließ.
„Will nicht wissen was die Jungs auf dem Fahrtenschreiber haben,“ sagte der Drachen und blies eine Wolke aus seinen Nüstern. „Der kommt aus Minsk. Das sind über 3000 Kilometer. Luftlinie.“
Ich nickte und der LKW schob sich brüllend Richtung Ausfahrt. Die Schuppen des Drachen glänzten im Regen. Ich fröstelte. Meine Motorhaube stand noch immer offen und dampfte ein wenig.
„Soll ich mal?“ fragte der Drachen und wir schaute beide in den Motorraum. „Klappert’s jetzt mehr metallisch wie Motor oder mehr dumpf wie Innenraum?“
„Weiß nicht. Irgendwie dazwischen.“
Der Drachen drückte am Vergaser herum und bewegte ein paar Schläuche. „Tja,“ sagte er. „Man steckt nicht drin.“
„Die bauen die Dinger heute so das sie nach einer bestimmten Zeit automatisch kaputt gehen“, sagte ich.
„Hab ich auch gehört,“ sagte der Drachen. „Schweinebacken.“
Wir schwiegen wieder, rauchten, und schauten. „Also ich seh nix,“ sagte der Drachen. „Ist bestimmt was von Innen. Aus der Verkleidung oder so.“
Ich machte die Motorhaube zu und der Drachen wanderte ein Mal um meinen Wagen und trat gegen die Reifen. „Ganz schön runter!“ rief er vom Heck.
„Ich weiß!“ rief ich zurück.
„Keine Kohle, was?“ rief der Drachen und schnippte seine Zigarette fort.
„Hä Hä!“ rief ich, und wir grinsten wieder.
„Ich mach jetzt los,“ sagte der Drachen.
Ich nickte.
„Meine Kippen sind alle. Hast du noch eine für mich?“
„Klar. Sind aber die Starken“
„Scheiß drauf. Die Leichten machen auch nur Krebs. Weil man tiefer inhaliert.“
Wir standen wieder schweigend, es begann stärker zu regnen und langsam wurde es unangenehm.
„Yepp,“ sagte der Drachen. „Dann will ich mal.“
„Hau rein,“ sagte ich.
„Wo?“
Wir grinsten wieder. Der Drachen breitete seine Flügel aus und schob die Zigarette in einen blauen Hüftgürtel. „Also dann,“ sagte er. „Bis die Tage. Ach so, und bleib dran. Die Kleine ist der Hammer.“
„Was?“ fragte ich.
„Die Grosse meinetwegen. Sorry.“
Ich muss erstaunt ausgesehen haben.
„Hallo!“ sagte der Drachen. „Ich kann Gedanken lesen. Drache und so. Alles klar?“
„Ach so,“ sagte ich. „Alles klar.“
„Hoff ich für dich. Na dann!“ Der Drachen spuckte aus, hob sich in die Luft, ächzte, und schlingerte über den Parkplatz bis er den richtigen Luftstrom erwischt hatte. Mit einer Drehung schraubte er sich in die Regenwolken und war am Hermsdorfer Kreuz bevor ich mein Fotohandy startklar hatte.
„Scheiße,“ dachte ich. „Jetzt hat er eine Kippe, aber wieder kein Feuer. Der wird sich in den Arsch beißen.“ Als ich mich auf den Fahrersitz schob spürte ich etwas hartes und griff unter mich. Ein kleiner Gegenstand. In Papier eingewickelt.
Der Drache musste das Ding auf seiner Runde um mein Auto irgendwie durch den Spalt im Fenster gestopft haben.
Ich packte einen milchigweißen Stein aus. Er war kühl und lag in der Hand wie ein Vogelei. Ein fast durchsichtiges Vogelei.
Auf dem Papier stand in krakeliger Kinderschrift:
„Danke noch mal für die Kippe. Gib der Großen den Stein. Er ist vom Mond. Sie übrigens auch. Mach dir keine Sorgen mehr über Hodenkrebs und Deutschland wird nicht Fussballweltmeister. Tschüss mit Üss!“
Ich grinste. Weil ich wusste das der Drachen in diesem Moment auch grinste.
Und weil ich jetzt weiß das alle Menschen die keine Ahnung von Autos haben zumindest in dieser Sache ein bisschen wie Drachen sind.